Journal | Flughafen Ísafjörður Island, 31. Oktober 2005

Journal | Flughafen Ísafjörður Island, 31. Oktober 2005
Flughafen Ísafjörður auf Island, 31. Oktober 2005 – Rückflug nach Reykjavik, Foto: Joachim Polzer | Digital-Foto.

Ende Oktober 2005 machten Norbert Pintsch und ich uns auf den Weg nach Flateyri in den Westfjorden im Norden von Island. Wir mieteten uns bei einem international tätigen Mietwagenanbieter in Reykjavik für den Weg in den Norden ein Kraftfahrzeug. In Reykjavik war bereits die Wettervorhersage heraus, dass es einen Wetterumschwung geben würde, der sich dann als kräftiger, zu früher Wintereinbruch herausstellen würde. Der Mitarbeiter der Mietwagenagentur machte bei Anmietung den Eindruck, als dass dies sein zweiter oder dritter Parallel-Job sei: Die Lebenshaltungskosten in Island waren damals bereits schon exorbitant hoch. Auch schien mir diese Art von Arbeitsteilung in dem dünn besiedelten Staat notwendig, um die gesellschaftliche und ökonomische Komplexität aufrecht erhalten zu können. Die Gesamtbevölkerung auf Island beträgt rund 400.000 Einwohner. Das KFZ hatte jedenfalls Ende Oktober noch Sommerreifen aufgezogen. Der Wintersturm setzte am Abzweig der Ringstraße 1 bei Bifröst in den Vestfjarðavegur 60 ein. Die Gesamtstrecke Reykjavik – Flateryri misst zirka 480 Kilometer, normalerweise benötigt man knapp sechs Stunden Fahrzeit dafür. Wir waren dann etwa die doppelte Zeit unterwegs, bis tief in die Nacht hinein. Bei Erreichen der kurvenreichen, einsamen, wassernahen und dunklen Uferstraßen an den Westfjorden glich unsere Autofahrt dann mehr einer "Petersburger Schlittenfahrt". Bei Dunkelheit und ohne Fernsicht fühlte sich jede Kurvenfahrt um eine Fjordbucht wie "und noch eine" an; es wollte kein Ende nehmen. Norbert meinte zu mir, ich könne von diesem Erlebnis noch meinen Enkeln erzählen. Nun ja.

Beim Rückweg zurück nach Reykjavik haben wir dann den Linienflug vom Flughafen Ísafjörður genommen. Das ist im Winter bei unpassierbaren Straßenverhältnissen auch für die Anwohner der übliche Transportweg. In den Westfjorden gibt es gleich drei solcher Regional-Flughäfen.

Vom Landeanflug zum Flughafen Ísafjörður existiert ein Video bei Youtube:

Landeanflug zum Flughafen Ísafjörður – Quelle: youtube.com

Wie man in dem Video sieht, gibt es in den Westfjorden auch einen Sommer.

In den Westfjorden im Norden von Island unterwegs. – Foto: Joachim Polzer | Digital-Foto

Norbert Pintsch und ich hatten vom ersten Festival-Durchlauf des Globians Doc Fest welt+kultur Dokumentarfilm-Festivals in Potsdam vom August 2005 ein paar Filme mit dabei, die wir den Freunden, Bekannten und Volontären vom Internationalen Puppen-Museum in Flateyri zeigen wollten, insbesondere den Film Thatta Kedona, der u.a. die Puppenproduktion in einen Punjab-Dorf in Pakistan als einkommenschaffende Maßnahme für Frauen zeigt. Der Film zeigt also die handwerkliche Produktion jener Artefakte, die man im Museum anfassen und begutachten kann, die dort ausgestellt sind. Das war die primäre Verbindung.

Die Hintergründe und die Entstehungsgeschichte dieses Puppen-Museums beschreibt dieser Beitrag von 2016 im Iceland Magazine auf Englisch. 2016 konnte darin auf 15 Jahre Projektgeschichte rückgeblickt werden. Nächstes Jahr, 2026, werden es dann 25 Jahre sein. Ausgangspunkt für die Kooperation mit Flateyri war das Lawinenunglück in Flateyri von 1995, bei dem über 20 Menschen starben, – und die Erinnerungs-Rituale daran.

Regionale Entwicklung bei der Bewahrung lokaler Kulturen standen hier im Fokus: in Flateyri, als vom Großstadtreiben wirklich entfernten Dorf mit knapp 200 Einwohnern, mit der Sammlung und Präsentation von Puppen-Artefakten aus aller Welt im dortigen "Doll Museum" der Handverksgalleri, bei der Filmauswahl für das Globians Doc Fest Dokumentarfilm-Festival-Projekt insgesamt und im Dokfilm Thatta Kedona dann als Filmbeispiel. [Teil 2 des Films findet sich hier.]

Wichtig dabei: Größe und Skalierung ist keine Messzahl für Erfolg. Aber auch im Kleinen gibt es eine Ökonomie, die auf Dauer, nachhaltig, stimmen sollte.

Neben dem Puppenmuseum der Handverksgalleri in der Hafnarstræti gibt es in der kleinen Siedlung Flateyri noch zwei weitere Museen: Das "Nonsens Museum" und das "Dorf-Museum", auch Der Alte Buchladen genannt.

Von unseren Begegnungen und Eindrücken in Flateyri, ja auch Plänen, haben wir nach dem Rückflug der Radiojournalistin Sigridur Petursdottir berichtet, die für das öffentliche Radio RAS 1 der Rundfunkorganisation RÚV Ríkisútvarpið im RÚV-Sendezentrum in Reykjavik arbeitete.

Die Ein- und Ausblicke im RÚV-Sendezentrum waren für mich als Kontrast zu den Erlebnissen im Norden beeindruckend.

Der Radiobeitrag wurde am 03.11.2005 dann über RAS 1 auch tatsächlich gesendet:

audio-thumbnail
Globians in Island RUV RAS1 03 11 2005
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/665.623219

Norbert Pintsch und ich haben die Kurzreise nach Island dann im RÚV-Rundfunkcasino zur Abendstimmung ausklingen lassen. 2012 bin ich nach Reykjavik zurückgekehrt, um im Frühjahr dort die Hauptsichtung zur Programmauswahl für den Globians Doc Fest Festivallauf vom Sommer 2012 als Klausur durchzuführen. Da war das HARPA-Konzerthaus dann schon eröffnet und in Betrieb. Aber das wird eine andere Seite des Jounals.

Anmerkung: Programmübersicht des Globians Doc Fest 2005 in Potsdam

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